Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Sie sind Vater oder Mutter eines Kindes, das unter Bewegungsmangel leidet. Sie wünschen sich, dass Ihr Kind durch etwas mehr Bewegung mehr Energie, Lebensfreude und Wohlbefinden gewinnt. Also versuchen Sie, es zu einem Spaziergang zu motivieren. Nach einigem Hin und Her stimmt Ihr Kind zu und Sie gehen gemeinsam los.
Doch mitten auf dem Weg gibt Ihr Kind auf. Es möchte nicht weiterlaufen, weigert sich vielleicht sogar. Sie selbst sind gestresst, möchten den Weg endlich hinter sich bringen – und trotzdem geht nichts mehr voran. Mit viel Mühe und innerem Druck schaffen Sie es irgendwann, gemeinsam nach Hause zu kommen.
Aufgrund des Stresses und der Wut rutscht Ihnen dann folgender Satz heraus:
„Mit dir kann man nirgendwohin gehen, du solltest lieber zu Hause bleiben!“
Gewaltfrei oder gewaltvoll?
Wenn wir genau hinschauen, merken wir: Dieser Satz ist gewaltvolle Kommunikation. Warum?
Weil Sie nicht nur das Verhalten Ihres Kindes kritisieren, sondern die Person selbst. Für das Kind bedeutet dieser Satz: Ich bin das Problem.
Und genau hier liegt die kommunikative Katastrophe.
Warum passiert uns das als Eltern?
Viele von uns tragen aus der eigenen Kindheit oder Erziehung Muster in die Elternrolle hinein – bewusst oder unbewusst. Häufig vermischen wir das Verhalten unseres Kindes mit der Person. Das führt dazu, dass wir verletzende Aussagen machen, obwohl wir eigentlich nur unsere Überforderung ausdrücken wollen.
Im Beispiel war es nicht Ihr Kind als Person, das Sie gestört hat, sondern:
- das langsame Laufen
- die Weigerung, weiterzugehen
- die fehlende Motivation
Das sind Verhaltensweisen, keine Eigenschaften der Person.
Wie klingt das gewaltfrei?
Statt zu sagen:
„Mit dir kann man nirgendwohin gehen.“
– eine Aussage, die das Kind direkt trifft –
könnten Sie sagen:
„Mit diesem Lauftempo ist es schwierig mit Dir irgendwohin gehen.“
Was ist anders?
- Sie trennen die Person vom Verhalten.
- Ihr Kind fühlt sich nicht persönlich abgewertet.
- Sie benennen klar, welches Verhalten schwierig war.
- Sie eröffnen Raum für Entwicklung und Veränderung.
Das Kind bekommt die Chance, sein Verhalten zu reflektieren, ohne sich selbst als „falsch“ zu fühlen. Und genau das ist der Kern gewaltfreier Kommunikation.

